Mit dem Alter kommt die Ruhe – selbst
bei deutschen Hip-Hop Größen. Ich bin mit Sido aufgewachsen, und
wenn es nach meinen Eltern ginge, hätte ich wohl die lieber „Das
Goldene Album“ mit 9 Jahren durch die Wand meines Bruders gehört
als „Mein Block“ - den ersten Hip-Hop Track, den ich auswendig
konnte. Und viele sollten folgen.
Sido ist ruhiger geworden. Schon der
erste Beat klingt eher wie der Kopfnick-Song in der Shisha-Lounge,
als nach dem Ghettoblaster der 14-jährigen im Plattenbau. Er hat
seine Zeit als Gangster mit der glänzenden Prollo-Maske hinter sich,
umso mehr bringt es mich zum Schmunzeln, als das Intro mit den Zeilen
ausklingt:
„Die
Hip-Hop-Szene ist ’n bisschen wie das Artemis
Was schade ist, ich beklag’ mich nicht, doch trotzdem trage ich
Die Maske wieder!“
Was schade ist, ich beklag’ mich nicht, doch trotzdem trage ich
Die Maske wieder!“
Sido - Intro
Sido
lehnt sich zurück, schaut auf seine Karriere zurück, auf die
Menschen die er kennt, die Szene, aus der er kommt, seine Musik und
sein Leben. Er ist ein Teil der deutschen Hip-Hop-Kultur, um den man
nicht herum kommt. Umso interessanter ist es, einem Rapper in der
Retrospektive zuzuhören, der alles mitgenommen hat: Mainstream,
Medien und Vorurteile.
„Sie
reden über Hip-Hop, imitier'n unseren Slang
machen
ein'n auf 'Yo, yo, yo!' - seltsame Moves mit ihren Händen“
Sido
feat. Kool Savas - Masafaka
Absoluter
Höhepunkt des Albums: Der Track „Masafaka“, in dem die
Darstellung des Hip-Hop in Mainstreammedien sein Fett wegkriegt. Doch
Songs wie „Hamdullah“ oder „Männer mit Vaginaz“ zeigen: So
wirklich begeistert ist Sido auch nicht mehr von dem, was sich heute
Hip-Hop nennt, oder von denen, die sich in der Szene bewegen - was
für manche wohl eine gewisse Ironie mit sich bringen mag. Denn der
große Medienrebell, Gangsterrapper und Ausreißer ist Sido wohl
selbst seit einigen Jahren nicht mehr. Und so macht er weiter und
schreibt
“Ich
bin was ich bin wegen allem, was gewesen ist
Ich vergess’ nicht, wo ich her bin!“, kurz nachdem es heißt
Ich vergess’ nicht, wo ich her bin!“, kurz nachdem es heißt
„Ich
fühl’ mich wie der King, weil ich mich nicht abgeb’ mit Losern“
und
weiter:
„Denn
ich brauch bald ein neues Konto, mein altes ist voll“
Sido - Diese Mucke
Der
reiche, krasse Sido, der unter Anderem in „Männer mit Vaginaz“
auf Schnösel und Hipster herabschaut, seinen Reichtum aber immer
wieder erwähnen muss, sich gleichzeitig über niveaulosen Rap
auslässt, während er genau das in „Masafaka“ kritisiert ist mir
ein wenig zu sehr von Doppelmoral und Arroganz geprägt. Generell
zeichnet das Album aber eigentlich ein authentisches Bild des Rappers
mit all seinen Fassaden, Erfahrungen und Eigenarten, und vielleicht
gehört dazu eben auch, dass nicht alles immer einem perfekten, roten
Faden folgt.
Als
ich die Tracks sah und nach erstem Reinhören bemerkte, dass es sich
hier wohl um ein „Schaut mich an, was ich erreicht hab“-Album
handelt, ging ich davon aus, dass mich hinter „Papa ist da“ ein
Track verbergen würde, der erklärt, wie er die deutsche Rapkultur
an die Hand nehme. Ich wurde allerdings eines Besseren belehrt:
Hinter dem Titel verbirgt sich ein schöner Gänsehautsong von Papa
Sido, der seinen Kindern das Leben zu erklären versucht. Kein
schlechter Song, den seine Söhne wohl noch nach seinem hoffentlich
späten Tod hören werden.
Insgesamt
lässt sich sagen: Der alte Sido ist noch nicht ganz weg, aber auch
nicht mehr so ganz da. Immerhin findet sich auf dem Album dieses Mal
kein Song, der auf Abiparties mit Elternbegleitung der größte Hit
ist und Gott sei Dank kein Andreas Bourani Feature. Insgesamt schaffte es aber nur "Masafaka" auf meine Deutschrap-Playlist. Viel eher werden
die Songs wohl ihren Weg in mein Leben finden, wenn ich wieder mal
entspannt auf der Couch sitze und abschalten will, oder aber
zitatweise einbezogen, wenn ich mal wieder was an der Hip-Hop-Szene zu meckern habe.
(7/10)
(7/10)